Der 17. Juni 1953
Am 16. Juni 1953 kam es in der jungen DDR zu einem Aufstand gegen unzumutbare Arbeits- und Lebensbedingungen. Vorangegangen waren Streiks, die sich innerhalb kürzester Zeit großflächig auf das Gebiet der DDR ausweiteten. Verbunden mit politischen und wirtschaftlichen Forderungen gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen, die Ignoranz der SED gegenüber den Bedürfnissen der Menschen nach freien Wahlen und Mitbestimmung und einer übermäßigen Förderung der Schwerindustrie entstand dieser erste antistalinistische Aufstand.
Der Aufstand wurde mit Hilfe sowjetischer Truppen am 17. Juni 1953 blutig niedergeschlagen. Zwar wurden die Normenerhöhungen rückgängig gemacht, der Aufstand jedoch als „das Werk von Provokateuren und faschistischen Agenten ausländischer Mächte und ihrer Helfershelfer aus deutschen kapitalistischen Monopolen…“ gebrandmarkt. Diese Deutung zog sich als Sprechart weiter durch die Geschichtsschreibung der DDR.
Die Nazis
Die NPD und die freien Kräfte wollen am 17. Juni diesen Jahres wie in den vergangenen Jahren an den Arbeiter_innenaufstand in der DDR anknüpfen. Dabei geht es ihnen um den angeblichen Ruf des deutschen Arbeiters nach „Freiheit und Selbstbestimmung…“. Sie geben sich „volksnah“ und protestieren gegen eine Vereinnahmung einer vermeintlich „Deutschen“ Souveränität durch die europäische Finanzpolitik. Sie wollen den Euro-Finanzraum verlassen und die Krise des Kapitalismus durch einen abgeschotteten Binnenmarkt mit einer „starken“ D-Mark überwinden. Dahinter steckt das Konzept der deutschen Volksgemeinschaft, in der jede_r seinen „natürlichen“ Platz findet und der Abweichung sowie Individualität bestraft wird. Gegen das vermeintliche „jüdische Großkapital“ sowie „internationale Organisationen“ wird gehetzt. Ebenso gegen „Schmarotzer“, die sich nicht einer perfiden nationalsozialistischen Arbeitsnorm unterordnen wollen oder können.
Die Dauerkrise des Kapitalismus ist jedoch nicht durch nationale Abgrenzung oder Ausgrenzung von Menschen unterschiedlichster Lebensweisen überwindbar. Der Bezug der Nazis auf die Selbstbestimmung der Arbeiter_innen, bildet nur das anknüpfende Argument für ihre rückschrittliche Ideologie.
Die Stadt Dresden
Im Jahr 2008 wurde am Postplatz von der Dresdner Künstlerin Heidemarie Dreßel ein Mahnmal für den Aufstand von 1953 errichtet. Eine Panzerkette eines russischen T-34 Panzers mahnt an die Geschehnisse in Dresden, wo auch nach der Aufstandsniederschlagung am 17. Juni noch Massenversammlungen stattfanden.
Seit 2008 finden öffentliche Gedenkfeiern mit dem Bezug zum Jahr 1953 an diesem Ort statt. Seit dieser Zeit nehmen immer mehr Nazis daran teil und führen im Anschluss einen Aufmarsch durch. Eine Distanzierung oder öffentliche Ablehnung seitens der Stadt erfolgte bisweilen nicht.
Dem 17. Juni 1953 darf nicht nur im Lichte des Antikommunismus gedacht werden. Vielmehr sollte man den Tag heute in einer Tradition sozialer Kämpfe für Gerechtigkeit, Mitbestimmung, faire Entlohnung und kürzere Arbeitszeiten sehen. Dabei sind in Zeiten von Kurzarbeit und kapitalistischer Dauerkrise diese Forderungen aktueller denn je.
Wir rufen die Stadt auf, die Nazis beim öffentlichen Gedenken nicht zu dulden. Die Gedenkpolitik der Stadt auch an diesem Datum darf nicht weiterhin zu einer Einladung für Naziaufmärsche werden.
Darüber hinaus laden wir alle ein, gemeinsam mit uns spektrenübergreifend gegen Naziaufmarsch und Geschichtsverdrehung auf die Straße zu gehen. Wir leisten zivilen Ungehorsam gegen braunes Gedankengut. Dabei wird von uns keine Eskalation ausgehen. Wir sind solidarisch mit allen, die das Ziel teilen, den Naziaufmarsch zu verhindern.
Gemeinsam gegen den Naziaufmarsch am 17. Juni 2012